Vor zwei Tagen begegne ich bei meinem morgendlichen Hundegang in der Feldmarkt einem anderen Hundebesitzer. Er ist vermummt. Corona? Kälte? Nein.
„Es stinkt furchtbar“, nuschelt der Mann und atmet vorsichtig durch den dicken Schal. Rechts zieht sein Hund an der Leine, mit der Linken weist er auf die Felder neben dem Feldweg: „Gestern standen hier riesige Lastwagen. Aus denen haben sie Gülle abgepumpt und mit monsterartigen Schlauchgeräten auf den Äckern verteilt. Das ist doch Getreide. Ist das normal, dürfen die das?“ Der Mann ist sichtlich erregt.
Mir verschlägt es zunächst die Sprache. Hat der wirklich keine Ahnung? „Das ist die Gülle aus der Massentierhaltung aus dem Raum Vechta“, erkläre ich ihm dann. „Dort stehen so viele Tiere, dass die Entsorgungsprobleme mit der Gülle haben. Um das Grundwasser nicht zu belasten, müssen sie die Gülle in andere Gebiete fahren und dort verteilen. Zum Beispiel hier bei uns.“ Und ich kann mir leider nicht verkneifen zu ergänzen: „Das ist unter anderem der Preis dafür, dass wir so billiges Schweinefleisch kaufen können. Irgendwo muss das Zeug ja hin. Schönen Tag noch!“
Pro Kopf verzehren die Deutschen rund 36 kg Schweinefleisch pro Jahr. Nur die Wenigsten machen sich allerdings bewusst, wie das Fleisch produziert wird, das sie an den Fleischtheken kaufen. Mehr als ein Drittel des deutschen Schweinefleisches wird in der viehstarken Region Weser-Ems in Massentierhaltung produziert. Rund drei Millionen Tonnen Gülle und Mist müssen in Niedersachsen jährlich aus dieser Region in andere niedersächsische Regionen, andere Bundesländer oder ins Ausland gebracht werden. Ein Großteil davon landet in den niedersächsischen Ackerbauregionen rund um Braunschweig und Hannover.
Daher stinkt das Gülleproblem aus Vechta hier zum Himmel. Da hier zusätzlich auch künstlicher Mineraldünger verwendet wird, stellt der Gülle-Tourismus aber nicht nur eine Geruchsbelästigung dar. Landwirtschaftsexperten sehen auch hier zunehmende Probleme für Seen und Flüsse sowie das Grundwasser.
Während ich weiter gehe muss ich an Eckart von Hirschhausen denken, den ich am 4. März 2020 in der Stadthalle Braunschweig live gesehen habe, eine der letzten Großveranstaltungen vor der Corona-Krise. Hirschhausen plädierte auf der Bühne aus mehreren Gründen für den Verzicht auf Fleisch. Um den Leuten vor Augen zu führen, was mit ihrem Fleischkonsum verbunden ist, schlug er folgendes vor:
Jeder bekommt zu seinem 1 kg Schweinefleisch an der Supermarktkasse den dazugehörigen 5-Liter-Eimer Gülle ausgehändigt. „Hier bitte schön, das ist ihr Anteil Gülle, den das Schwein für ihr Stück Fleisch produziert hat. Möchten Sie ihn mit oder ohne Deckel?“